Prince William Sound II [Seite 2 von 2] [zurück]
Weiter geht es nach Süden, tiefer in die Cochrane Bay hinein.
Märchenhafte Miniinseln mit steil-zerklüfteten Felsufern,
überthront von urigen Sitka-Fichten und Hemlock-Tannen liegen
ufernah. Eine Gruppe Seehunde lässt sich von einer winzigen
Felsinsel ins Wasser plumpsen, als sie uns erblickt. Doch die
Neugier der Tiere siegt wieder einmal, und so werden wir für
die nächste halbe Stunde von einer wechselnden Anzahl Seehundköpfen
begleitet, die wie Bojen auf dem Wasser wogen.
Südlich der Landmarke "Horse" queren wir die Bucht
zur "Three finger lagoon". Von dort wollen wir ins Hinterland
zum Shrode Lake wandern. Im östlichen "Finger"
der Lagune gehen wir an Land und lassen die Boote, an einer langen
Leine gesichert, in der Bucht treiben.
Kaum haben wir den Pfad zum Shrode Lake entdeckt, saust ein Kolibri
heran, steht wie ein Minihubschrauber Sekundenbruchteile vor uns,
um dann in elegantem Bogen davonzujagen. Die Leuchtfarben unserer
Schwimmwesten scheinen die Flugkünstler anziehen. Oft hören
wir die Vögelchen eher, als dass wir sie sehen: Wie fette,
schnelle Käfer brummen sie.
Durch lichten Nadelwald und über freie, nur oberflächlich
trockene Sumpfwiesen führt der Pfad. Überall schimmert
Sonnentau in warmem Rot. Später haben wir Mühe, in dem
hohen Gestrüpp aus Farnen, Lachsbeeren und Helleborus dem
Pfad zu folgen. Über Sumpfwiesen geht es weiter, später
durch dichten Urwald. Nach gut einer Stunde erreichen wir das
Seeufer, Endpunkt unserer Wanderung. Am gegenüberliegenden
Ufer parken vor der Shrode Cabin drei Wasserflugzeuge. Angler
erspähen wir jedoch nicht. Die Hütte ist öffentlich
und kann für etwa 35 USD/Tag bei der ReserveAmerica Holdings
Inc. gemietet werden.
Am
nächsten Morgen ist es - genau! - wieder sonnig und trocken.
Wir starten nach Süden und queren später die Cochrane
Bay in Richtung "Shallow Cove". Während der Überfahrt
nimmt der Wind zu und wirft ordentliche Wellen auf. Konzentriert
ziehen wir die Paddel durchs aufgewühlte Wasser, bis wir
endlich an einem Kiesstrand zur Rast anlegen können. Blattrosetten
riesiger Callas recken sich hellgrün im nahen Pflanzendickicht
empor, und meterhohe Blaubeersträucher hängen voll reifer
Früchte. Der Wind hat weiter zugenommen. Wieder auf dem Wasser,
genießen wir zwar das Auf und Ab, doch das Paddeln wird
immer anstrengender. Wir sind froh, die Surprise Cove zu erreichen
und endlich Schutz vor dem Wind zu haben: Einem doppelten Burgwall
gleich zwingt die Küstenlinie das Meer zweimal durch eine
Enge in das Hinterland. Kaum haben wir die zweite Enge passiert,
liegt die innere Bucht völlig windstill und ruhig da - nichts
erinnert an die Böen, die gerade 200 m weiter draußen
an unseren Paddeln gezerrt haben.
Wir
halten zunächst im nördlichen Teil der Surprise Cove
nach einem Lagerplatz Ausschau. Insgesamt drei Zeltplätze
weist die Karte hier aus, unter anderem ein von der Surprise Cove-Parkverwaltung
angelegtes, breites Areal direkt am Rand der Bucht.
Westlich dieses Campgrounds beginnt ein Weg, der uns durch sattgrünen,
üppigen Regenwald und Orchideen-bestandene Sumpfwiesen zum
North Lake führt. Ab und an umsausen uns Kolibris für
Sekundenbruchteile.
Wieder
in unseren Booten, versuchen wir unser Glück am südlichen
Ende der Bucht. Tatsächlich finden wir eine schöne Insel,
die nur bei Flut eine ist: Bei Ebbe verbindet sie eine breite
Grasbrücke mit dem Festland. Wir erkunden unser Terrain und
beschließen zu bleiben.
Der
nächste Morgen. Endlich - PWS-Wetter, wie es im Buch steht:
Nieselregen drippelt seit mehreren Stunden auf's Zelt. Wir lauschen
eine Weile und peilen dann hinaus: Alles ist triefend naß.
Nur die Temperatur ist mit 15 Grad Celsius noch angenehm. Aber
wenn es jetzt so bleibt, fällt die bestimmt noch in den nächsten
Tagen. Etwas Sorge macht mir, daß wir den breiten Eingang
der Blackstone Bay in Richtung Norden queren müssen. Hoffentlich
wird der Wind nicht zu stark. Bald stehen wir auf, und ich ahne
es schon: Das Wetter hält nicht lange. Der Regen wird schwächer
und verebbt bald ganz. Die Wolkendecke ist zwar noch dicht, aber
auch sie wird sich im Lauf des Tages lichten.
So
queren wir später bei bemerkenswert glatter See den Eingang
der Blackstone Bay, blicken noch einmal tief in die Bucht zurück,
deren Gletscher uns vor wenigen Tagen so beeindruckt haben. Doch
halt - da war noch etwas vor der Querung: Unsere letzten Angelversuche.
Wieder müssen Miesmuscheln als Köder herhalten. Diesmal
bin ich dran: Ruckzuck hole ich einen orangebraunen, bizarren
"Rockfish", eine Barschart, aus der Tiefe. Seine Augen
stehen ungeheuer weit vor, und er spreizt alle Flossen ab. Bald
zappelt ein zweites, diesmal etwas flacheres Modell mit weniger
eindrucksvollen Augen am Haken. Zwei Fische à etwa 30 cm;
das sollte fürs Abendessen reichen. Ich ziehe eine Kordel
durch die Riesenmäuler und fixiere meine Beute am Bootsheck.
Mit dem heutigen Tag schließt sich unsere Route zum Kreis:
Nachmittags erreichen wir wieder den "Decision Point".
Es ist unser letzter Abend draußen im Prince William Sound.
Immer noch können wir uns an der großartigen Kulisse
nicht satt sehen und so wird es spät, bis wir ein letztes
Mal im Zelt liegen. Bei perfektem Wetter, versteht sich.
Am nächsten Morgen starten wir gen Westen und halten uns
auf der Südseite des Passage Canal: Wir wollen noch einen
Abstecher in die Shotgun Cove machen; dort liegt seit Jahren das
riesige stählerne Skelett eines Frachters am Ufer und rottet
vor sich hin. Wir turnen darauf herum, fotografieren das unheimliche,
marode Wrack. Als ob es dazu passt, entdecken wir wenig später
noch die Leiche eines Seehundes in einer kleinen Bucht des Passage
Canal. Emsige Boote und Schiffe bereiten uns auf die Rückkehr
in die Zivilisation vor.
Nach 135 Paddelkilometern und 4 Stunden leichtem Nieselregen erreichen
wir wieder das Hafenstädtchen Whittier - bei strahlendem
Sonnenschein. Und Walter überlegt, ob er mit mir das nächste
Mal im Winter hierher kommen soll - dann liegen bis zu 10 Meter
Schnee. Meistens.